
„Big Pharma – Die Allmacht der Konzerne” lautet der Titel einer aktuellen ARTE Dokumentation, die auf großes Interesse stößt und auf Youtube viele Leute zu Kommentaren und zum Austausch anregt.
Es handelt sich um einen Film in abendfüllender Länge mit dramaturgischen Bögen und einem Erzählstrang, sehr ansprechend gestaltet und spannend inszeniert.
Er nimmt die Zustände von Gesellschaften in den Blick, die durch eine Oligopolisierung ihrer Wirtschaft und umfangreiche Einflussnahmen von Konzernen auf politische Entscheidungen geprägt sind.
Am Beispiel hochpreisiger Medikamente werden die Spielregeln der Markteinführung, der und der Kundenkommunikation thematisiert und finanzielle Verflechtungen erzählerisch in Szene gesetzt.
Der Film führt das Denken des ungeübten Zuschauers wirksam in Richtung des gewünschten Narrativ.
Die Macht der Pharmakonzerne steht nicht erst seit diesem Film im Fokus kritischer Berichterstattungen öffentlich-rechtlicher Medien, sondern wird im Rahmen von Medizinskandalen seit Jahrzehnten immer wieder angeprangert.
Ganz offenkundig beschäftigt uns die Aufdeckung krimineller Machenschaften, die Offenlegung skrupelloser Kaltblütigkeit und die Faszination einer allmächtig wirkenden wirtschaftlichen Stellung dieser Industrie in allen wirtschaftsstarken Gesellschaften dieser Welt.
Die Geheimnisse um Big Pharma wirken faszinierend auf unsere Denkgewohnheiten, die sich gern in ihren lebenslang sozialisierten Konditionierungen geistiger und emotionaler Affekthaftigkeit bestätigt sehen.
Auf diese Weise erleben wir uns in einer gleichsam konditionierten Ohnmacht gegenüber den scheinbar unveränderlichen Gesetzmäßigkeiten einer nicht zur Veränderung befähigten Gesellschaft und stellen diese Umstände infolge der schrittweisen Degeneration unserer Wahrnehmung auch nicht mehr in Frage.
Die Doku scheint uns den Zustand gespaltener und in gewisser Weise ausgelieferter Protagonisten aus Politik, Wirtschaft und Wissenschaft zu offenbaren.
Sie lenkt unseren Blick auf unendlich vernetzte Strukturen einer kaum noch mitmenschlich organisierten Gesellschaft und einzelner Personen, die als Identifikationsfläche für uns Zuschauer taugen oder einfach nur das Diabolische repräsentieren und uns auf diese Weise in die eine oder andere Richtung triggern.
Und damit sind wir auch schon eingetaucht in den Prozess, einen Überblick zu gewinnen über die Verführung, die dem Film innewohnt und die uns dazu herausfordert, mit hunderten von Kommentaren auf YouTube in umfangreichen Dialogen Stellung zu beziehen und dabei rasend schnell die Betrachtungsebenen zu wechseln und uns darin zu verirren.
Wir neigen dazu, uns über unser Denken und seine Gesetzmäßigkeiten keine Rechenschaft abzulegen, sondern uns vielmehr in unseren gedanklichen Konditionierungen zu begegnen und uns diese gegenseitig zu verlautbaren in dem Bewusstsein, es handele sich um einen Austausch.
In dieses Durcheinander von Bedeutungszusammenhängen einzutauchen und sich seinerseits mit Denkschablonen einzumischen muss dazu führen, dass man jegliche Orientierung einer wie auch immer gearteten eigenen Meinung verliert und seine Worte in die Masse des Gesagten ergießt, ohne auch nur einen halbwegs verbundenen Gedankengang mit jemandem ausgetauscht zu haben.
Wir wollen hier „Big Pharma – Die Allmacht der Konzerne” aus der Vogelperspektive ansehen und überlegen, ob das Narrativ eine Botschaft für uns bereithält.
Denn möglicherweise gibt es Gesetzmäßigkeiten, Voraus- und Zielsetzungen, die uns Hinweise auf ein zugrundeliegendes Muster erzählerischer Aufklärungsarbeit im 21. Jahrhundert geben können und uns damit die geistige Navigation durch eine Zeit ermöglichen, die keine Grenzen mehr kennt zwischen Fiktion und Wirklichkeit.
So kann der erste Schritt eines Abstandnehmens, der Vogelperspektive darin bestehen, leicht verfügbare Informationen über die Protagonisten der Produktion zu recherchieren.
Wer sind diese Menschen, die eine Geschichte erzählen wollen und in welchen Funktionen haben sie zum Entstehen dieser Dokumentation beigetragen?
Wer hat den Film produziert, woher kommen die Mittel und welche weiteren Informationen gibt es im Zusammenhang mit Personen und Inhalten zu entdecken?
Kommen wir zunächst zu den Autoren, wie sie auf dem Youtubekanal von ARTE dokumentiert werden. Es handelt sich um Claire LASKO und Luc HERMANN (die Schreibweise habe ich vom Programmhinweis der Seite der ARD unter der Rubrik „Besetzung“ entnommen).
Die Engländerin Claire Lasko wird in der Internet Movie Database (IMDb) als Regisseurin und Autorin der Doku vorgestellt; sie stellt sich auf der Webseite der Oxfordshire Green Party als Preisträgerin mehrerer Dokumentarfilme vor und kandidiert für ihre Partei auf lokaler Ebene.
Luc Hermann leitet mit seinem Kompagnon Paul Moreira die Dokumentarfilm-Produktionsgesellschaft ‚Premiers Lignes‘ in Paris und wird für ‚Big Pharma – Die Allmacht der Konzerne‘ ebenfalls als Regisseur und Autor benannt.
Nicht auf Youtube, nicht auf ARTE, nicht bei der ARD aber im Intro und Outro des Films wird ein weiterer Autor namens Insaf Maadad benannt, laut IMDb ebenfalls seines Zeichens Autor und Regisseur.
Auf der Webseite von Premier Lignes erfahren wir „Ihr gemeinsames Ziel ist es, kreative und wegweisende Erzählungen zu produzieren und die Berichterstattung und das Geschichtenerzählen ständig zu erneuern.“
Das heißt, investigativer Journalismus wird mit der Erzählkunst eines wegweisenden Narrativ in Einklang gebracht.
Dieser konstruktivistisch geprägte Ansatz des Selbstverständnisses von journalistischer Tätigkeit ist der Schlüssel zum Verständnis der gesamten Dramaturgie von ‚Big Pharma‘ und wir werden ihm uns später widmen und vielleicht einige Einsichten daraus gewinnen.
Während der investigative Inhalt der Doku im Zentrum des Interesses steht, wird das wegweisende Narrativ eher unterschwellig kommuniziert.
Die Erzählung erwirkt eine Konsequenz auf unser diffuses Gefühl von Enttäuschung über Machenschaften der Konzerne einerseits und die Skrupellosigkeit Einzelner andererseits.
Das Narrativ bedient unser in langer Sozialisation realisiertes Selbstverständnis vom ohnmächtigen Ausgeliefertsein und sensibilisiert uns achtsam und unaufdringlich für eine mögliche Lösung.
In seinem den Film begleitenden Interview auf ARTE benennt Luc Hermann freilich sehr präzise Ross und Reiter und teilt dem geneigten Zuschauer mit, dass der Macht der Pharmakonzerne einzig durch staatliche Regulierung zu begegnen sei.
Stellen wir nun in Rechnung, dass die nach eigenen Angaben unabhängige Filmproduktionsgesellschaft ‚Premiers Lignes‘ sich über Kooperationen und damit auch Mittel durch den ÖRR trägt, dann darf man sich dem Gedanken nähern, dass es gemeinsame Interessen von staatlichen Medienanstalten und ‚Premier Lignes‘ gibt.
Nicht nur im Sinne einer finanziellen Verflechtung als Auftraggeber und Auftragnehmer, sondern auch in der Zielsetzung zum Umgang mit gesellschaftlichen Herausforderungen, die Ergebnis einer gemeinsamen Geisteshaltung sind, also im Gleichklang des bevorzugten Narrativ zum Ausdruck kommt.
Werfen wir nun einen Blick auf die Dramaturgie der Erzählung.
Während wir heute zunehmend in allen Bereichen medialer Informationsweitergabe mit dem Begriff des Narrativ konfrontiert werden, das unser Denken unterschwellig anleitet, werden wir diese Erzählung aus der Vogelperspektive betrachten.
Wir werden die Erzählung Schritt für Schritt verfolgen, hier etwas länger verweilen, um einen Blick zu vertiefen, dort mutig über Einzelheiten hinweggehen, wenn sie unsere Perspektive nicht zu bereichern vermögen.
Im 2-minütigen Intro treten die Protagonisten der Interviews in kurzen Statements auf, die von den Filmemachern zu einer Überschrift und plakativen rhetorischen Frage zusammengefasst werden: „Bedroht die Gewinnmaximierung der Pharmaindustrie den Fortbestand unseres solidarischen öffentlichen Gesundheitswesens?“
Damit ist der Rahmen des Narrativ abgesteckt.
Es geht um monetäre Macht der Konzerne auf dem Rücken einer Solidargemeinschaft, die von der öffentlichen Verwaltung und politischen Entscheidungsträgern vertreten wird.
Die Autoren laden uns ein, gemeinsam mit ihnen auf der Grundlage des bestehenden Systems Konsequenzen zu ziehen, da das dem Narrativ gemäß als alternativlos gilt.
Wir wissen also von vornherein, dass es gerade nicht darum geht, staatliche Strukturen zu hinterfragen, Verflechtungen systemischer Art zu beleuchten, Informationen über kollaborierende staatliche Institutionen, NRO’s, Parteiapparate und Medienunternehmen herauszuarbeiten, Widersprüchlichkeiten zu dokumentieren oder gar ein Zusammenhangsverständnis zu fördern.
Die Autoren kokettieren mit der Bloßstellung kapitalistischer Selbstbereicherer, die skrupellos über Leichen gehen, dabei kaltschnäuzig in der Öffentlichkeit auftreten und sich dessen nicht schämen.
Wisse, unser modernes Staats- und Rechtswesen ist eine zivilisatorische Errungenschaft.
Es hat sich ständig weiterentwickelt und ist über Zweifel daran erhaben, kann aber seine wohlwollend regulierende Funktion nur mit zentralistischer und vereinheitlichender Machtkonzentration entfalten.
Gut, folgen wir also dem Gedankenpfad, der sich uns hier aufdrängt und nehmen wir das Angebot an, uns in unserer gemeinsamen Ablehnung gegen das Verabscheuungswürdige zu einen.
„Seine Geschäfte und sein spöttisches Lächeln machten Martin Shrkeli zum meistgehassten Mann der USA.” Auf diese Beschreibung scheint sich die Welt des Mainstream seinerzeit geeinigt zu haben (bzw. der redaktionelle Inhalt stammte aus derselben Quelle), nachdem der junge Hedgefondmanager die Vermarktungsrechte für ein Medikament erworben und den Preis danach um 5000% heraufgesetzt hatte.
Statt einen Sündenbock an den Pranger zu stellen könnte man natürlich auch das System und seine Protagonisten kritisch würdigen. Aber das dürfte einen wesentlich differenzierteren Blick auf die Teilhaber der bestehenden Ordnung erfordern, vielleicht gar mit Selbstkritik einhergehen, aber nicht so wirksam das Narrativ bedienen.
Wären wir nicht auf die bestehende Ordnung unter der Regie eines wohlmeinenden Staates konditioniert, dann würden wir uns nicht mit der Genugtuung über das Scheitern des jungen Größenwahnsinnigen zufrieden geben.
Der Ausgang dieser Geschichte ist exemplarisch: Shkreli hat es nicht nur zu erstaunlichem Reichtum gebracht, sondern er hat sich in seinen psychopathischen Allmachtsphantasien herabgelassen, damit zu kokettieren, was natürlich nicht nur die Öffentlichkeit gegen ihn aufgebrachte, sondern auch das Establishment.
Mafiöses und würdeloses Gebaren fürchtet das Licht und die gewaltige Kraft der Empörung in der Bevölkerung, denn es lässt sich dann nicht mehr fadenscheinig erklären und rechtfertigen und es legt den Blick auf die zugrunde liegenden Strukturen frei.
Folglich wurden die stillen Profiteure des herrschenden Pharmakartells mit Hilfe der Akteure staatlicher Ordnung aktiv und sonderten den Nestbeschmutzer aus, indem ihm Finanzbetrug nachgewiesen, er eingesperrt und damit aus den Schlagzeilen genommen wurde.
Der leicht manipulierbaren Öffentlichkeit wird er als Bauernopfer dargebracht und das Licht auf die Kreise seinesgleichen hat man ausgeschaltet.
Wir nehmen den Ausgang der Geschichte zwar mit Genugtuung aber im unbehaglichen Bewusstsein oder wenigstens der Ahnung einer wesentlich tiefer verborgenen Verdorbenheit zugrundeliegender Zusammenhänge zur Kenntnis.
Lasko und Hermann wenden sich nun der Geschichte eines Medikamentes zur Behandlung von Anfallsleiden zu. Es ist bereits seit Jahrzehnten auf dem Markt ist und geht häufig mit erheblichen Nebenwirkungen für das ungeborene Kind einher.
Dies sei schon lange bekannt gewesen, ohne dass diese Gefahr auf der Packung oder dem Beipackzettel kommuniziert worden sei. Erst das langjährige Engagement einer betroffenen Mutter habe dazu geführt, dass der Konzern Kennzeichnungen vornehmen musste.
Die Regierung habe einen Entschädigungsfond für Opfer bereitgestellt, während der Hersteller des Medikamentes eine Beteiligung ablehne, was nun gerichtlich untersucht werde.
Der Vertreter des Herstellers stellt sich im Interview auf den Standpunkt einer Verantwortung der Gesundheitsbehörde. Das Versagen des Staates wird durch die betroffene Mutter zwar thematisiert, aber nicht weiter differenziert.
Sie erklärt, dass sie stolz darüber sei, dem mächtigen Konzern Schaden zugefügt zu haben, indem sie sich quasi im Alleingang mit ihrem Verein dem Erfolg dieser Lebensaufgabe gewidmet und das Ziel erreicht habe.
Mit dieser Geschichte lenken die Autoren unseren Blick auf die europäische Arzneimittelagentur, ein zentrales europapolitisches Organ, das auf Initiative der Mutter für eine europaweite Kennzeichnung mit einem Piktogramm gesorgt habe.
Der Anwalt Charles Joseph Oudin kommentiert diesen Erfolg und bedient das uns vermittelte Narrativ der Schlagkraft einer regulierenden europäischen Behörde.
„Für die Opfer [von Opioidmissbrauch] und deren Familien ist es an der Zeit, die Pharmaindustrie zur Rechenschaft zu ziehen.“
In Anlehnung an die Verurteilungen der Tabakindustrie in den 90er Jahren zu 3-stelligen Milliardenbeträgen an Schadenersatz richten Lasko und Hermann nun diese Forderung an den imaginierten Adressaten Big Pharma.
Sie verfehlt nicht ihre Wirkung auf uns Zuschauer, denn sie gibt sich den Anschein aus einer höheren moralischen Ordnung zu stammen und passiert auf diese Weise widerspruchslos unsere Kritikfähigkeit.
Man muss schon sehr genau hinhören – ich sage das bewusst, denn die Bebilderung spricht unsere Emotionen an und sorgt mit entsprechenden Motiven für die innere Bereitschaft, die gehörte Information im wahrsten Sinne des Wortes zu schlucken, sie Instanzen des wachsamen Geistes gleichsam umgehen zu lassen.
Um uns die Verantwortung für Missstände deutlich zu machen ziehen 2 voneinander unabhängige Interviewpartner Vergleiche mit Haftungsfragen in der Automobilindustrie heran.
So wie Fahrzeughersteller für Fehlfunktionen ihrer Autos haftbar gemacht würden sei auch bei Medikamentenherstellern zu verfahren.
Die implizite Selbstverständlichkeit der Zuweisung von Verantwortung klingt einleuchtend, denn sie suggeriert uns, vertrauensvoll und zuversichtlich die Errungenschaften der modernen Zivilisation nutzen zu können, ohne uns für mögliche persönliche Folgen dieser Vertrauensseligkeit verantworten zu müssen.
Mit dem naiven Vertrauen zu Experten aus Politik und Wissenschaft, zur Funktionsfähigkeit von Sicherungssystemen, zu den wohlwollenden Absichten führender Protagonisten technokratischer Pläne und nicht zuletzt zu einem System, das wir naturgemäß für das beste halten, was uns in unserer Geschichte widerfahren konnte, bringen wir uns in Gefahr, solche Erfahrungen machen zu müssen.
Darüber hinaus werden wir unserer natürlichen Eigenverantwortung und Selbständigkeit beraubt und verlieren nach und nach die Fähigkeit, unseren Augen und Ohren zu trauen, unser intuitives Beurteilungsvermögen zu nutzen und uns selbstbewusst in dieser Welt bewegen zu können.
Der Staat braucht Bürger, die gerade so mündig sind, dass sie frei- und bereitwillig seine ideologischen Grundannahmen zu verinnerlichen und bei Bedarf zu verteidigen vermögen.
Der smarte Generalstaatsanwalt von Oklahoma, Mike Hunter erringt einen Sieg mit einer Klage gegen den Konzern Johnsen & Johnsen, der sich schuldig gemacht habe, synthetische Opioide vertrieben zu haben, die in missbräuchlicher Anwendung zum Tode führen können.
Mittlerweile gebe es 2000 laufende Verfahren ähnlicher Art in den USA, für die dieses Verfahren als Präzedenzfall gelte.
„Die Behörden schätzen, dass es 20 Jahre dauern wird, um die Abhängigen zu heilen und die Auswirkungen dieser Epidemie aufzufangen.“
Diese Behauptung von Lasko und Hermann ist gleichermaßen unpräzise wie sinnfrei.
Gleichwohl triggert sie unser Gerechtigkeitsempfinden und fördert unsere Empörung gegen den Konzern, dessen Schuld richterlich in erster Instanz festgestellt wurde.
Dass die Macht der Konzerne sich seit Jahrzehnten durch das Wirken politischer Entscheidungsträger und einer fast nur noch durch Hypothesen gestützten Medizin nachhaltig manifestieren konnte, scheint nicht der Erzählung zu dienen.
Es gilt das Narrativ von behördlichen Institutionen als Anwälte der Bevölkerung und Gegenspieler von Big Pharma.
„Für die Behandlung [einer Augenerkrankung] stehen zwei absolut gleichwertige Medikamente im Wettbewerb. Nach intensiver Lobbyarbeit ist es Novartis gelungen, das 40-mal teurere Medikament gegenüber dem günstigeren des Roche-Konzerns (entwickelt durch Genentec) durchzusetzen.“
Wir ahnen, dass es sich hier um vielschichtige Vorgänge handelt, die kaum in wenigen Minuten befriedigend aufgearbeitet und begreifbar gemacht werden können.
Die politische Dimension wird durch den Honorarpräsidenten der Französischen Akademie der Pharmazie, Prof. François Chast angedeutet, aber -zumindest in dem geschnittenen Material- nicht vertieft.
Mittlerweile wissen wir, das würde dem Narrativ widersprechen und daher ist es folgerichtig, das Interviewmaterial so zu inszenieren und zu konnotieren, dass wir die dargebotenen Informationen folgerichtig als einen Abspracheschwindel interpretieren, der er natürlich auch ist.
Nur eben um den Preis der halben Wahrheit und eines Großteils der Zusammenhänge, die um den Erhalt des Narrativ unbeleuchtet bleiben müssen.
Die Autoren schließen diese Geschichte mit dem Fazit: „Roche weigert sich [das günstigere Medikament in Frankreich anzubieten] und die Behörden sind machtlos. Die Lobbyarbeit hat sich bezahlt gemacht. Das günstigere Medikament wird nur noch sehr selten eingesetzt.“
Lasko und Hermann lassen uns wissen, wer nach ihrer Meinung eigentlich die Macht über eine solche Entscheidung haben sollte.
Freilich ohne uns darüber in Kenntnis gesetzt zu haben, welche politischen Entscheidungen zur herrschenden Machtkonstellation geführt haben und in welcher Weise die Politik seit Jahrzehnten zum Erhalt dieser Machtverhältnisse beiträgt.
„Politische Vertreter, Demokraten und Republikaner, versuchen immer wieder die Hersteller zu zwingen, die Preise für Medikamente [die in den USA nicht reguliert sind] zu senken – ohne Erfolg.“
Mit dieser Aussage eröffnen die Autoren das nächste Kapitel über die Preisgestaltung von Medikamenten. Wieder sind wir versucht zu glauben, hier kämpfen 2 Lager um die Gestaltungsmacht, Politik und Konzerne.
Allerdings erklärt die Ärztin und ehemalige Chefredakteurin des New England Journal of Medicine, Marcia Angell, nur wenige Minuten später „Die Pharmakonzerne bringen kaum eigene Innovationen hervor, alles Innovative kommt seit einiger Zeit aus der staatlich geförderten Forschung.“
Also die Politik, die einhellig versucht die Macht von Big Pharma zu bändigen, sorgt gleichzeitig für die Umverteilung der Entwicklungskosten von den Konzernen hin zum Steuerzahler?
Wie wurde dieser Prozess eingeleitet und von wem? Wer sind die Personen, die auf beiden Seiten der scheinbar kämpfenden Fronten aktiv sind und zu welchem Preis?
Warum erörtern die Autoren diese naheliegenden Fragen nicht, sondern blenden sie durch die Dramaturgie des Narrativ aus?
„Ende 2019 hat das Unternehmen [Novartis] einer leichten Preissenkung [eines Krebsmedikamentes] von 320.000 € auf 297.666 € zugestimmt.“
Die Verhöhnung des Verhandlungspartners kann kaum deutlicher zum Ausdruck gebracht werden als durch dieses Ergebnis. Aber es ist auf der anderen Seite ein ebenso offenkundiger Beleg für die Zaghaftigkeit des politischen Willens.
Oder gibt es gar eine solch systematische Übereinstimmung von zugrundeliegenden Haltungen, Methoden und Zielsetzungen, die ein solches Verhandlungsergebnis hervorbringen?
Und dabei ist die grundsätzliche Frage der materialistischen Herangehensweise moderner Medizin sowie der Nachhaltigkeit einer chemotherapeutischen Krebsbehandlung, wie auch zu Beginn bei der Behandlung der Augenerkrankung mit einem Chemotherapeutikum noch gar nicht gestellt.
Auch dies dürfte eine für den Erzählstrang und somit das gewünschte Narrativ wenig befruchtende Perspektive sein.
Es wirkt hier im Hintergrund, bleibt eher unausgesprochen oder es wird nur andeutungsweise durch gezielte Auswahl der Interviewpassagen herausgearbeitet:
„Das Problem ist, dass jedes Land seine eigenen Konzerne verteidigt … es ist äußerst schwierig sich so gemeinsam auf vernünftige, für alle bezahlbare Preise zu einigen.“
Völlig aus dem Ruder gelaufene Preisgestaltungen sind Ausdruck unseres gescheiterten Zivilisationsmodells, das nicht nur in diesem Bereich den Zenit der bereitwilligen Annahme durch die Bevölkerung überschritten hat.
Pharmakologie, medizinische Wissenschaft und Forschung sind nicht nur gewinnwirtschaftlich ausgerichtet, sondern führen in ihrer Weiterentwicklung der materialistischen Herangehensweise zu Ergebnissen, die von einem großen Teil anders aspektierter Menschen abgelehnt werden, während der Film seinem Narrativ folgt:
Die Kontrolle aller unerwünschten Folgen unserer Lebens- und Arbeitsweise durch eine europa- oder weltweit agierende Regulierungsbehörde.
Dann nehmen die Autoren das Zuwendungssystem der Konzerne an medizinisches Fachpersonal in den Blick und arbeiten heraus, auf Freiwilligkeit basierende bestehende Regelungen gingen mit unzureichender Transparenz einher und müssten daher einer umfassenderen Kontrolle unterworfen werden.
Auch hier wird der Sachverhalt auf einer plakativen Ebene betrachtet, ohne die zugrundeliegenden Wirkmechanismen zu beleuchten und folglich muss die Schlussfolgerung durchsichtig und kraftlos erscheinen.
Die von Interviewpartnern zitierte partnerschaftliche Abhängigkeit zwischen vertriebsorientierter Industrie und anwendenden Medizinern wird treffend hinterfragt, bleibt aber zugunsten vom Narrativ des Regelungsbedarfs schon bald auf der Strecke, indem die Autoren Transparenzinitiativen dokumentieren, die am Katzentisch der großen Player Platz nehmen müssen.
Man trifft sich auf Kongressen und weiß um die tiefe Verbundenheit im Geiste ähnlich konditionierten Denkens und Fühlens aller Beteiligten sowie dem materialistisch geprägten Zugang zum Heilen.
„Die weltweite Verbreitung des Coronavirus enthüllt einmal mehr den Appetit der großen Pharmaunternehmen.“
Anhand des Zulassungsverfahrens eines vom US-Konzern Gilead entwickelten Medikamentes werden uns 2 politische Botschaften vermittelt.
[Der gute] Bernie Sanders habe [den bösen] Donald Trump zur Rücknahme der Zulassung aufgefordert und folglich sei das Unternehmen dieser Forderung nachgekommen und sie schneiden Trumps Aussage, „these people [von der FDA – Food and Drug Administration] are incredible Patriots“ mit der Aussage von Marcia Angell „Die FDA steht heute gewissermaßen auf der Gehaltsliste der Pharmaindustrie“.
Und wir begreifen: Der für seine sozialistische Haltung bekannte Sanders gilt ihnen als die Personifizierung eines gewünschten Narrativ in den USA und wird daher positiv konnotiert.
Fazit
Die im Selbstbild der Filmemacher dokumentierte Unabhängigkeit ihrer Produktionsgesellschaft dürfte sich weder auf die Mittel der öffentlich rechtlichen Sendeanstalten, noch auf die herrschende Ideologie des Mainstream beziehen.
Die Doku ‚Big Pharma‘ folgt dem Narrativ der Regulierungsbedürftigkeit von Konzernen, die bereits seit vielen Jahrzehnten mit der Politik auf der Brücke des gemeinsamen Schiffes sitzen, gleich wer gerade zum Kapitän bestimmt ist.
Und solange wir Zuschauer uns durch die psychologische Verführung des Narrativ zum Denken und Handeln motivieren lassen, werden wir immer in die Richtung rudern, die uns zugerufen wird.
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