Der Amtsschimmel ist nicht mehr das, was er mal war …
In 2016 sah ich mich in der etwas überraschend heraufgezogenen, aber dafür mit gewaltiger Notwendigkeit in mein Alltagsleben eindringenden Ahnung konfrontiert, dass globale Veränderungsprozesse im Gange sind, an deren Teilhabe ich nicht würde vorbeikommen können. Doch ich möchte den Bogen ein paar Jahrzehnte früher beginnen lassen.
Ich hatte mich immer in einem Umfeld von grenzgängerischen Naturen bewegt und folglich war mir seit meiner jungen Erwachsenenzeit die Begegnung mit Grenzerfahrungen anderer Menschen und mit meinen eigenen vertraut, was eine gewisse Gewöhnung im Umgang mit komischen und originellen Typen, sonderlichen und unangepassten Verhaltensweisen, tragischen und beschwerlichen Schicksalen mit sich gebracht hatte.
Die Beschäftigung mit allerlei abstrusen, verrückten und esoterischen Themen hatte mich immer besonders vitalisiert und meine Neugier entfacht und daher habe ich auf ebensolche Leute anziehend gewirkt. Carlos Castaneda hatte mich mit seinen Tagebüchern über seine Lehrzeit mit Don Juan mächtig beeindruckt und meinen geistigen Horizont erweitert, in meinem in dieser Hinsicht eher langweiligen Studium der Psychologie habe ich den Kontakt zu Dozenten und Kommilitonen gesucht, die ebenso grenzgängerisch wie ich durch ihr Leben wandelten.
Gleichwohl hatte ich mich im Laufe der Jahre eingerichtet in einem vagen Wissen über den kontinuierlichen Strom geschichtlicher, politischer, gesellschaftlicher und wissenschaftlicher Zusammenhänge. Widerstreitende Interessen scheinbar einflussreicher Wirtschaftskapitäne lenkten nach meinem Verständnis die Entwicklung der Welt, vom Volk gewählte Politiker versuchten allzu große Begehrlichkeiten der Mächtigen zu zähmen und in Deutschland konnten wir immer noch froh sein, dass nicht alles schon viel schlimmer für uns gekommen ist, wie in vielen Teilen der Welt.
Und das, obwohl die Bürde unserer Geschichte uns immer die Täter sein ließ und verlangte, dass wir nie die Verpflichtung zu Bescheidenheit und Demut vernachlässigen, die uns seit 3 Generationen von der Wiege bis zur Bahre begleiten. Persönliche Entwicklung war selbstverständlich immer gewünscht, denn schuldbeladene Menschen finden reichlich persönliche Neurosen, die es zu überwinden gilt und es gibt reichlich Wissen aufzubereiten, das uns im Rahmen des etablierten Verständnisses vom Funktionieren dieser Welt durch anerkannte und seriöse Wissensvermittler nahegebracht wird.
Die innere Notwendigkeit des Fortgangs der Geschichte war schicksalhaft und alternativlos, durch uns gewöhnliche Menschen nicht zu beeinflussen und unsere Möglichkeiten der Mitsprache beschränkten sich jeweils auf das, was uns Einzelnen wichtig erschien. In der Regel bedeutete das, selbst nicht zu kurz zu kommen und darüber hinaus friedlich und in Wohlstand zu leben.
Kurzum, ich war im Laufe meines geistigen Reifungsprozesses apolitisch geworden und hielt mich nur dann auf dem Laufenden tages- und weltpolitischer Ereignisse, wenn es mir zur Mitsprache in meinem sozialen Umfeld dienlich erschien. Natürlich war meine Gesinnung linksgrün orientiert und auf diese Weise, was mich seinerzeit keineswegs misstrauisch machte, gab es auch keine wirklichen Differenzen mit sämtlichen Menschen, denen ich begegnete.
Auf der Grundlage dieser eher desinteressierten Weltanschauung ließ sich trefflich in den immer gleichen Kategorien von mehr oder weniger differenziertem Richtig und Falsch, von Gut und Böse argumentieren, sofern denn Gespräche in politische, wirtschaftliche, geschichtliche, wissenschaftliche Richtung zielten und ich mich mit der Verlautbarung gesellschaftlich korrekten Halbwissens zur Menschenfamilie meines persönlichen Nahbereichs bekennen konnte.
Fast alle Menschen verband sozusagen ein sehr ähnlicher Kenntnisstand über das Leben und die Welt im Allgemeinen wie im Besonderen und wir zeigten uns gegenseitiges Wohlwollen zueinander, indem wir uns immer das gleiche erzählten, wenngleich wir darüber bereits wussten; hier und da bereichert um das, was jeden von uns einmalig macht und sowohl im beruflichen wie im privaten Umfeld das Erleben von Freude, Mitgefühl, Ärger, Furcht, Begeisterung und all die Empfindungen ermöglicht, die uns als Menschen ausmachen und uns einander das Gefühl der Verbundenheit vermitteln.
Mein Lebenslauf hatte mich erst im fortgeschrittenen Alter in einen festen Job wie man so schön sagt und dazu noch in eine behördenähnliche Verwaltung geführt und ich hatte den Eindruck, dass die Beratungsarbeit dort mir recht leicht von der Hand ging, während die zu mir kommenden Menschen, allesamt durch individuelle gesundheitliche Einschränkungen geprägt, gut bei mir aufgehoben schienen, denn ich mochte die Zusammenarbeit mit ihnen und war am Einzelnen interessiert, was in meinem Berufsfeld keine Selbstverständlichkeit ist.
Ich lebte also mein Leben in der Zufriedenheit mit der glücklichsten Ehe, die ich mir vorstellen konnte, unserer Patchwork-Familie mit drei bereits erwachsenen Kindern, einer beruflichen Tätigkeit mit einem endlich mal befriedigenden Einkommen und einer sinnvollen Freizeitbeschäftigung als Begleiter der freiberuflichen Tätigkeit meiner Frau. Meine mir selbstverständlich gewordene Unangepasstheit konnte ich überall und irgendwie ein Stück weit leben, während ich die grundsätzlichen Überzeugungen der Mehrheit teilte, was mich zu einem funktionierenden Glied ihrer Gesellschaft werden, aber auch in eine zunehmend komatöse Phantasielosigkeit geraten ließ.
Und dann kam der Tag, als ein befreundeter Arbeitskollege wissen wollte, ob ich mich jemals gefragt hätte, warum am Tage von 9/11 das dritte Gebäude eingestürzt sei. Dies war der Zeitpunkt, an dem mein Lebensgefühl staunender Neugierde und vitalisierenden Wissensdurstes wieder erwachte. Von diesem Moment an fühlte ich den drängenden Wunsch nach dem Blick hinter die Kulissen des gewöhnlichen Alltagsgeschehens mit all den Ideen, die Menschen entwickeln und sie durch ihre Wahrnehmungen und Erfahrungen zu begründen suchen.
Eine Zeit intensiven Studiums und Recherche in den Weiten des Internet begann. Kein Thema meines alten Wissens blieb verschont und auch kein Stein auf dem anderen meines (glücklicherweise) für erhebliches Hinterfragen nicht konzipierten Gebäudes an Gewissheiten. In einem ersten Überschwang errichtete ich einen Blog, denn ich hielt meine Arbeitsweise im Jobcenter für außergewöhnlich genug, sie unbekannten Kollegen zu vermitteln, weil ich immer den Menschen, der mir gegenüber saß, ins Zentrum meiner Aufmerksamkeit stellte und ihm die größtmögliche Unterstützung zuteil werden ließ, die nach den Spielregeln möglich war.
Die ersten Blogbeiträge legen Zeugnis darüber ab und beschreiben, mit welcher inneren Haltung man als Mitarbeiter seine Entscheidungs-Spielräume erweitert und damit wohlwollend seiner Kundschaft dient. Ich beschrieb meine Motivation und Freude an der Begegnung mit den Menschen und wie ich mit gleichgesinnten Kollegen trotz des allgemein schlechten Rufs der Arbeitsvermittlung Mitmenschlichkeit pflegte in einem System, das grundsätzlich nicht darauf angelegt ist, dem Menschen zu dienen.
Im Laufe meiner Erkundungen, Studien, Recherchen und Gespräche wurde zunehmend offensichtlicher, dass dieses System sich nicht unglücklicherweise in diese Richtung entwickelt hatte und wir nicht mehr tun konnten, als das Beste herauszuholen was uns möglich war, während wir selbst am Auskommen in bescheidenem Wohlstand festhielten.
Vielmehr zeigte und zeigt sich die vielschichtige Verflochtenheit von Zuständen, Ereignissen, Absichten und Plänen, die auf einer tieferen Ebene ineinander greifen und uns ein klarer werdendes Bild von gezielten Aktivitäten der Protagonisten vermitteln, die uns weitgehend unbekannt sind, aber nach Gesetzmäßigkeiten denken und handeln, die schon immer im Verborgenen gewirkt haben und von dort aus für den gewöhnlichen und in seinem Alltagsbewusstsein befangenen Durchschnittsmenschen nicht ohne weiteres zu erkennende Wirkung entfalten.
Je mehr ich mich diesem zunächst etwas ungewöhnlich wirkenden Zusammenhangdenken widmete und auf allerlei Schranken, Grenzen und Verbotslinien in meinem eigenen Denken stieß, desto klarer wurde mir, dass mein Denken in mancherlei Hinsicht in Ketten gelegt war durch meine Erziehung, Sozialisierung, Schul- und Universitätsausbildung, durch die von den Medien vermittelten Denkschablonen zum Begreifen von Geschichte, Wissenschaft und Politik sowie durch den enormen sozialen Druck, der durch das Kollektiv auf das Individuum wirkt und seinem Bedürfnis nach Nähe und Gemeinschaft Regeln voranstellt, die sich keineswegs zufällig entwickelt haben.
Diese fortschreitende Erweiterung meiner Perspektive und meiner Einsichten schlug sich dann auch in den Themen nieder, die ich auf dem Blog behandelte und die sich immer mehr aus dem beruflich begrenzten Rahmen herausbewegten und Bedingungen fokussierten, die so etwas wie Hartz 4 überhaupt erst ermöglicht haben und dazu beitragen, dass sich die Gesellschaft scheinbar in ihr Schicksal ergeben hat.
Insofern dokumentiert der Blog Aspekte meiner eigenen Prozesse seit Mitte 2017 und heute, Anfang 2021, stelle ich diese Über-mich-Seite runderneuert hier ein und verweise nur noch über diesen Link zu meinen damaligen Absichten und dem mit dem Amtsschimmel verbundenen Selbstverständnis.
Ich wünsche uns allen Begeisterung, Lebenslust und Zuversicht auf dem Weg des Erkennens und Handelns.