Bernice Fitz-Gibbon
Es geht mitnichten darum, meinem Kunden etwas zu verkaufen, was er nicht braucht.
Ganz im Gegenteil.
Der Sinn besteht darin, ihm Produkte mit Mehrwert anzubieten.
Diese Produkte sollen meinem Kunden Erfahrungen ermöglichen, an denen er sich entwickeln und wachsen kann.
Nichts anderes beschreibt meinen Arbeitsauftrag treffender.
Denn letztlich muss mein Angebot dem ratsuchenden Menschen dienen.
Unsere Produkte sind Förderleistungen auf der Grundlage der Sozialgesetze.
Sogenannte arbeitsmarktpolitische Maßnahmen werden von unserer Geschäftsführung oder zentralen Behörden eingekauft.
Danach stellen wir diese Angebote unseren Kunden vor und bieten ihnen die Teihabe daran an.
Freilich fragt nicht jeder unserer Kunden aktuell eine solche Maßnahme nach.
Seine Kundenbeziehung zu uns kann sich durchaus mit dem Bedarf an Leistungen zum Lebensunterhalt erschöpfen.
Es kann sein, dass er weder Beratungs- noch Vermittlungsangebote benötigt. Vielleicht ist er eingebunden in
- die Betreuung von Kindern
- die Pflege von bedürftigen Angehörigen
- gemeinnützige Tätigkeiten
- Therapien, die seine gesundheitliche Genesung bewirken sollen
Im Beratungsgespräch klären wir zunächst, ob er uns überhaupt einen Auftrag gibt.
Das ist nicht selbstverständlich und sehr wichtig für unser weiteres Vorgehen.
Erst dann suchen wir herauszufinden, was unseren Kunden bewegt.
Was ihn im besten Sinne des Wortes in Bewegung bringt.
Dieser Prozess kann einige Zeit und vielleicht mehrere Termine in Anspruch nehmen.
Denn die Motivation unserer Kunden liegt nicht selten im Verborgenen.
Vielleicht ist sie durch schlechte Erfahrungen oder durch belastende Lebensumstände nicht offenkundig.
Das Ziel muss sein, dass unser Kunde wieder in seine Kraft kommt.
Dafür können unsere Dienstleitungs-Produkte ein Hilfsangebot sein.
Die Sozialgesetzgebung im SGB II gründet umgangssprachlich auf der Prämisse des Förderns und Forderns.
Das war Ende der 90er Jahre die Bezeichnung für ein Schweizer Integrationsmodell für Migranten.
Dann wurde es zum Slogan der Arbeitsmarktreform in Deutschland und fand folglich Eingang in die Hartz-Gesetze.
Seitdem werden die Sozialgesetze sehr kontrovers diskutiert, aber von weiten Teilen der Bevölkerung mitgetragen.
Auch in dem Bewusstsein, dass es in den vergangenen 40 Jahren zu jeder Zeit weniger offene Stellen als erwerbslose Menschen gab.
Vollbeschäftigung wird daher auch in der Zukunft nicht gelingen.
Gleichwohl können wir unseren Kunden eine Perspektive geben.
Denn wir arbeiten mit diesen Menschen und ihren persönlichen Lebenswegen.
Viele unserer Produkte sind Angebote,
- neues Wissen zu erlernen
- sich in Gemeinschaften zu erleben
- Grenzerfahrungen zu machen
- Persönlichkeit zu entwickeln
Der gesetzliche Auftrag ist so viel mehr als in den Handlungsempfehlungen, ermessenslenkenden Weisungen und Leitfäden beschrieben steht.
Es liegt an uns, das auch zu erkennen. Uns von einer solchen Auslegung der gesetzlichen Bestimmungen inspirieren zu lassen.
Mit einer solchen Haltung können wir das Werben für unsere Produkte dementsprechend in sinnerfülltes Handeln übersetzen.
Und darum geht es doch letztendlich, oder?
Darin liegt die große Freiheit unseres Arbeitsauftrages.
Und daher kann mit unserem Handeln ein hohes Maß an Arbeitszufriedenheit einhergehen.
Viele unserer Produkte sind hervorragend konzipiert und werden von nahezu allen Kollegen befürwortet.
Demzufolge dürfen wir auch vor unseren Kunden das Angebot an Weiterbildungs- und Unterstützungsmöglichkeiten wertschätzen.
Ich biete meinen Kunden Produkte an, aus denen sie Gewinn ziehen können.
Sie sollen in den Maßnahmen die für sie angemessene Unterstützung erfahren.
Dabei holt die Förderung sie optimalerweise dort ab, wo sie sich auf ihrem Wege gerade befinden.
Auf dem Weiterbildungsmarkt gibt es eine bunte Mischung aus sehr verschiedenen Anbietern.
Wir wissen nicht immer um die Qualität von Fördermaßnahmen.
Die Zertifizierung einer Maßnahme durch die Agentur für Arbeit ist kein hinreichendes Qualitätskriterium.
Von der Arbeitsverwaltung werden Maßnahmen ausgeschrieben.
Bildungsinstitute bewerben sich daraufhin mit ihren Konzepten.
Viele sachliche und fachliche Kriterien werden geprüft.
Zuletzt wird auch nach preislichen Kriterien der Zuschlag für eine Bildungsmaßnahme erteilt.
In den vergangenen Jahren hat sich zunehmend die Spreu vom Weizen getrennt.
Die Qualität der Produkte, die wir in Form von Fördermaßnahmen unseren Kunden anbieten, wird kontinuierlich besser.
Die Kundenorientiertheit gewinnt immer mehr an Bedeutung.
Infolgedessen sticht im Wettbewerb der Träger insbesondere die kundenorientierte Qualität.
Wir sind mittlerweile sogar in einer bemerkenswerten Situation:
Wir können kostenintensive Maßnahmen für Menschen mit ganz erheblichen Beeinträchtigungen ihrer gesundheitlichen Verfassung anbieten.
Wo nicht nur Neigungen und Kenntnisse herausgearbeitet und weiter entwickelt werden.
Sondern wo insbesondere psychische und seelische Voraussetzungen als Ausgangspunkt für perspektivische persönliche Entwicklungen gelten.
Förderungen in diesen Bereichen zielen sicherlich nur vordergründig auf arbeitsmarktliche Integration von Menschen mit derlei Handicaps.
Im Vordergrund steht die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben, die sicherlich eine von vielen Voraussetzungen für eine berufliche Integration sind.
Geschäftspolitische Zielsetzungen unseres Arbeitgebers lassen sich natürlich nicht erzwingen.
Eingekaufte Fördermaßnahmen müssen nicht zwangsläufig mit unseren Kunden besetzt werden.
Wir erkennen zwar die Not unseres Arbeitgebers.
Er steht in der Verantwortung gegenüber der Politik.
Aus Steuergeldern finanzierte Maßnahmen nicht zu nutzen ist selbstverständlich nicht dauerhaft tolerierbar.
Aber die uns übertragene Verantwortung darf nicht überstrapaziert werden.
Ich erinnere mich an eine Situation, als ein Träger erhebliche Mängel in der Betreuung unserer Kunden nicht verbessern konnte.
Es brauchte viel Zeit und gute Argumente, dem Träger das auch rechtssicher nachzuweisen zu können.
Wir waren in einer widersprüchlichen Situation.
Stellen wir die Zusammenarbeit ein, dann machen wir uns wegen Vertragsverletzung haftbar.
Schicken wir weiterhin unsere Kunden zum Träger, dann muten wir ihnen eine ungenügende Betreuung zu.
Da konnte die (selbstunsichere) Weisung der Vorgesetzten die Mitarbeiter in arge Bedrängnis bringen.
Ist eine Fördermaßnahme mangelhaft, haben wir nicht das dafür geeignete Klientel und fehlt unseren Kunden jegliches Interesse daran, dann macht es schlichtweg keinen Sinn, die Menschen dorthin zu schicken.
Das wäre mangelhafte Kundenorientiertheit und würde die Beziehung zu meinem Kunden und den Ruf der Arbeitsverwaltung beschädigen.
Denn an allem Anfang steht die Haltung.
Auf der Grundlage meiner Haltung gilt es Wege zu finden, mit denen alle Beteiligten leben können ohne das Gesicht zu verlieren.
Natürlich kann ich meine Produkte nur dann empfehlen, wenn ich sie geprüft und für gut befunden habe.
Ansonsten mache ich mich beim ersten Versuch der Vorteilsübersetzung unglaubwürdig.
Nichts spricht gegen einen Besuch beim Träger, der die Leistung unserer Produkte erbringt.
Vieles aber spricht dafür.
Die Mitarbeiter des Trägers sind ebenfalls meine Kunden; meine externen Kunden.
Auch mit ihnen gilt es Beziehungen aufzubauen und diese zu pflegen.
Nicht nur dass wir uns ein wertvolles Netzwerk aufbauen, sondern wir werden auch in sämtliche Entwicklungen und Entscheidungsprozesse eingebunden.
Es entstehen kurze Wege für Absprachen und wir können für unsere ratsuchenden Kunden Einfluss nehmen.
Denn manchmal fehlen diesen Menschen die Möglichkeiten, sich in „angemessener” Weise mitzuteilen und eigene Interessen zu vertreten.
Dann sind wir aufgefordert, sie dabei zu unterstützen, Verantwortung für sich zu übernehmen.
Deshalb suche ich bei passender Gelegenheit die Träger-Mitarbeiter und meine Kunden vor Ort auf.
Denn ich schätze die persönliche Begegnung, damit ich mit den bekannten Stimmen vom Telefon auch ein Gesicht verbinde.
Persönliche Beziehungen sind eine wertvolle und vielleicht sogar ausschlaggebende Voraussetzung für erfolgreiche Zusammenarbeit.
Vitamin-B ist nicht nur in beruflichen Zusammenhängen eine Lebensrealität.
Es wird Erfolg nicht garantieren, öffnet aber Räume von Möglichkeiten.
Haben wir unseren Kunden zur Teilnahme an der Maßnahme bewegt, dann wird er folglich von unseren guten Kontakten zum Träger profitieren.
Unser Interesse an den Mitarbeitern des Trägers, ihrer Arbeit und unser Interesse an den Kunden wird für unsere Haltung sprechen.
Doch nun zurück in unsere Amtsstube.
Wir bieten unseren Kunden Produkte nach Abwägung ihrer Interessen, persönlichen Voraussetzungen und aktuellen Lebens- und weiteren Rahmenbedingungen an.
Wir tun gut daran, den Hebel an dem wir sitzen, für nicht allzu lang zu halten.
Zwar gibt es Sanktionsmöglichkeiten und die meisten Kunden ängstigen sich davor mehr als sie es bräuchten.
Aber eine Kundenbeziehung auf der Grundlage der Androhung von Strafmaßnahmen wird von Bürgern als offener Strafvollzug empfunden.
Schließlich gibt es keinen Grund an der Anständigkeit der allermeisten unserer Kunden zu zweifeln.
Niemals werden wir sie mit der Brechstange, sprich unserem Instrumentarium zur Sanktionierung existenzieller Geldleistungen, unter Druck setzen.
Das ist freilich nicht selbstverständlich, denn wir stehen selbst unter dem Druck, bereits eingekaufte Maßnahmeplätze mit unseren Kunden zu besetzen.
Zudem trägt in der Regel jeder Kollege einen Rucksack, die Verantwortung für eine zusätzliche Aufgabe.
Er wird damit von seinem Vorgesetzten für eine ausreichende Besetzung von Maßnahmen in die Verantwortung genommen.
Umso mehr bemühen wir uns, unseren Kollegen zu bedienen, damit er sich möglichst nicht unter Druck gesetzt fühlt.
Infolgedessen suchen wir auch hier einen guten Weg für alle am Prozess Beteiligten.
Aber bei allen internen und externen Kundenbeziehungen werden wir zum Wohle der Menschen handeln, die uns als leistungsberechtigte Kunden gegenüber treten.
Sie sind in der Regel das schwächste Glied in der Kette.
Sie bedürfen der Förderung und nur sinnhaftes Handeln kann mittel- oder langfristig zum Erfolg führen.
Daher kann es am Ende des Erstgesprächs gut und richtig sein, kein vorschnelles Ergebnis zu erzwingen.
Konnte in diesem Gespräch keine befriedigende Vereinbarung getroffen werden, dann gibt es sicherlich gute Gründe dafür.
Gespräche mit Kollegen helfen ebenso wie die Besinnung auf einen aussagekräftigen Beratungsvermerk, um sich Klarheit zu verschaffen.
Fördermaßnahmen nutzen wenig, wenn die Zeit für eine Entscheidung einfach noch nicht reif war.
Unsere Haltung fordert von uns Geduld, wenn wir passende Dienstleistungs-Produkte anbieten wollen.
Die Kunden zahlen nicht mit Geld, aber mit ihrer engagierten Mitwirkung.
Sie investieren im besten Falle ihre Besonderheit und Einzigartigkeit.
Sofern wir uns ihrer Bereitschaft versichert und ihr Einverständnis eingeholt haben.
Die Förderangebote haben immer zum Ziel, für einen Mehrwert beim Kunden zu sorgen.
Je mehr Kunden wir zu eigenem Engagement bewegen, desto wirksamer können wir uns in unserem Job erleben.
Werden unsere Kunden durch ihre Teilnahme bereichert, dann haben wir sicherlich ein Stück weit daran mitgewirkt.
Entwicklungsverläufe sind nie gradlinig.
Sie verlaufen in Phasen und jede Phase hat ihre eigenen Herausforderungen.
Wir werden häufig mit Schwierigkeiten konfrontiert, während unsere Kunden an Weiterbildungen oder Integrationsmaßnahmen teilnehmen.
In der Regel sind die Träger der Maßnahmen bemüht, innerhalb ihrer Einrichtung Wege und Lösungen zu finden.
Es kann sich aber auch eine Dynamik unter den beteiligten Personen entwickeln.
Der Abbruch der Teilnahme kann im Raum stehen.
Haben wir in der Vergangenheit kaum Kontakt zum Träger und seinen Mitarbeitern gepflegt?
Dann werden wir über das Ergebnis der Entwicklung informiert und … nicht mehr.
Auch unser Kunde wird das Ergebnis so hinnehmen müssen, auch wenn es von ihm gar nicht beabsichtigt war.
Pflegen wir aber Austausch mit den Trägern, dann werden wir von ihnen über Prozesse und Entwicklungen auf dem Laufenden gehalten.
Wir bekommen Gelegenheit, in einer schwierigen Situation Einfluss zu nehmen.
Oder wenigstens am Prozess beteiligt zu werden.
Das macht uns zu einem starken Kooperationspartner sowohl für den beauftragten Träger als auch für unseren Kunden.
Möglichkeiten und Grenzen unserer Produkte, der Fördermaßnahmen, stehen immer auf dem Prüfstand.
Konzeptuell haben wir heute sicherlich die besten Produkte, die wir den Menschen in den vergangenen 10 Jahren anbieten konnten.
Gleichwohl gilt es immer wieder zu prüfen, inwieweit sie unseren Kunden tatsächlich dienlich sind.
Gelingt uns die Trennung von Existenzängsten und bereitwilliger Maßnahmeteilnahme aus eigenem Entschluss, dann werden wir wahre Mitarbeit erfahren.
Nur dann werden die Menschen ausreichend eigene Motivation mitbringen, sich auf den Weg zu machen.
Nichtsdestotrotz können wir viele von ihnen mit unseren Produkten einfach nicht erreichen.
Diese Tatsache gilt es zu hinterfragen.
Auch die Sinnhaftigkeit von Arbeitsmarktpolitik muss uns als Bürger interessieren, denn sie trägt zu unserer Haltung im Job bei.
Gern wird behauptet, es handle sich um Rahmenbedingungen, auf die wir keinen Einfluss nehmen können.
Das ist ein Irrtum, denn es würde dem Demokratieverständnis widersprechen, das unserer Gesellschaftsordnung zugrunde legt.
Gerade die Tatsache, dass wir in einer Sozialbehörde tätig sind, verpflichtet uns in besonderer Weise, die demokratische Grundordnung zu achten, sowie Gesprächskultur und Meinungsvielfalt zu pflegen.
Und doch können wir zur gleichen Zeit vom Mehrwert unserer Produkte überzeugt sein.
Und diejenigen Menschen nach Kräften fördern, die daran teilhaben und sich mit unserer Unterstützung weiter entwickeln wollen.
Fazit
Wir bieten respektvoll und wertschätzend Beratung an.
Wir klären unsere Kunden transparent und aufrichtig über Möglichkeiten und Grenzen unserer Dienstleistungsangebote auf.
Diese Angebote sind meist sogenannte arbeitsmarktpolitische Maßnahmen.
Unsere Maßnahmeangebote sind von hoher Qualität und Fachlichkeit.
Auf dem Papier zielen sie immer auf Erlangung von Erwerbstätigkeit.
In der Lebenswirklichkeit sind es immer in erster Linie Angebote zu einer vielfältigen Persönlichkeitsentwicklung.
Selbstverständlich haben diese Förderangebote auch Grenzen und sind nicht für jeden ratsuchenden unserer Kunden geeignet.
Immer ist es ganz besonders auch eine Frage des richtigen Zeitpunkts, einen solchen Vorschlag zu unterbreiten und dann auch konsequent an ihm festzuhalten.
Wie ist Dein Verhältnis zu unseren Fördermaßnahmen und Beratungsangeboten?
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