Wir sind Ansprechpartner für erwerbslose Menschen.
Grundsicherungs-Empfänger leben in der Regel auf einem niedrigen Einkommensniveau.
Folglich müssen sie sich mit ihren Lebensstandard auf dem Niveau des Existenzminimums arrangieren.
Viele von ihnen hadern mit ihrem Schicksal und sehen sich als Opfer.
Sie sehen sich als Teil eines Systems, dass sie nur noch aushält und darüber hinaus keine Verwendung für sie hat.
Sie glauben, sie können keinen Einfluss nehmen auf ihr Schicksal.
Dabei steht die Arbeitsverwaltung und zwar wir persönlich als ihre Ansprechpartner stellvertretend für dieses System.
Die Arbeitskraft, die sie ins Spiel bringen könnten, wird nicht oder nicht mehr nachgefragt.
Obschon viele in Arbeit kommen werden häufig Mindestlöhne bezahlt.
Aber die reichen kaum über das Existenzminimum hinaus.
Daher verbleiben nicht wenige von ihnen im System der Grundsicherung, sodass sie auch unsere Kunden bleiben.
Für viele ist Einkommen entscheidend für ihr Selbstwertgefühl.
Der durschnittliche erwerbsfähige Mensch fühlt sich auf Augenhöhe unter seinen Mitmenschen, wenn er einer Erwerbsarbeit nachgeht.
Nicht von ungefähr lautet eine beliebte Frage zweier Menschen, die sich kennenlernen: Und … was machst DU beruflich?
Erwerbslosigkeit erklären zu müssen kann eine schambesetzte Herausforderung sein.
Umso mehr, wenn dieser Zustand sich bereits seit Monaten oder gar seit Jahren nicht mehr ändert und sich infolgedessen manifestiert hat.
Diese Vorgeschichte wird selbst mit gutem und starkem Willen immer schwerer zu beeinflussen.
Sich in seiner Situation einzurichten bedeutet ja auch,
- einen Weg zu finden, die fortwährend unangenehmen Gefühle und Stimmungen in den Griff zu bekommen
- das ständige Gefühl von Demütigung durch eine alternative Form von Lebensqualität zu ersetzen
Eine lange Vorgeschichte von Erwerbslosigkeit kann aber auch zu psychischen Beeinträchtigungen führen oder sie fördern.
Manche unserer Kunden finden keine sozialen Kontakte oder Aufgaben, mit denen die gekränkte Seele geheilt wird.
Vielleicht müssen die seelischen Schmerzen dann ärztlich oder psychotherapeutisch behandelt werden.
Selbst wenn es nur die Verhaltensgewohnheiten sind, in denen sich unsere Kunden einrichten, so ist das nicht minder schwierig für uns.
Oft genug fragen wir uns, wie wir ihnen unsere Angebote zur Teilhabe am gesellschaftlichen Leben nahe bringen können.
Wie wir sie nach ihrer Vorgeschichte da abholen können, wo sie gerade stehen.
Wir kennen die mitunter unzutreffenden Beschreibungen der Aufgaben, die wir im Beratungsgeschäft umsetzen sollen:
- die Gewohnheiten unserer Kunden aufbrechen
- sie mit sich selbst konfrontieren
- sie aus ihrer Komfortzone heraus drängen
- ihnen die soziale Hängematte wegnehmen
Diese Beschreibungen werden von zunehmend weniger Kollegen geteilt.
Denn mit tiefer blickendem Verständnis und weiter werdendem Herzen halten sie keiner Prüfung stand.
Als persönlicher Ansprechpartner Deines Kunden weißt Du es besser.
Du hast bereits so viele Vorgeschichten gehört.
Darum hast Du eine Ahnung davon, dass das wahre Leben mit dem beruflichen Lebenslauf oft nicht harmonieren will.
Aber Du kennst die Bedingungen, unter denen Du erfolgreich den Beziehungsaufbau in Deiner Beratung gestaltest.
Fühl‘ Dich frei von den inneren und äußeren Stimmen, die Dich bedrängen.
Und die Dich unter Druck setzen und Dir Deine Haltung vorzugeben trachten.
Denk an die Überlegenheit Deines timing gegenüber jedem Zeitmanagement.
Viele Deiner Kunden geben Dir eine große Chance.
Denn sie lassen Dich teilhaben an einer sehr persönlichen und authentischen Entwicklung.
Dies kann Dich ungemein bereichern.
Schließlich erhälst Du insbesondere als junger Kollege einen Einblick in die Vielschichtigkeit von Lebenszusammenhängen.
Es gibt Zeiten in ihrer Vorgeschichte, in denen die Dinge nicht besser hätten laufen können.
Du staunst darüber, wie viel Glück jemand gehabt hat.
Und Du wirst Zeuge von Erzählingen, in denen es das Schicksal nicht so gut mit ihnen gemeint hat.
Du erfährst wie man in etwas hineinschlittern kann, was man so nie gewollt hat.
Wenn Du’s genauer wissen willst, erfährst Du ganz wesentliche Vorgeschichten aus ihrem Leben.
Das ist natürlich manchmal nur schwer auszuhalten.
Wenn Du den Job schon etwas länger machst, dann weißt Du wovon ich rede.
Aber Du hast es ja selbst in der Hand.
Mach‘ Dir ein so umfangreiches Bild von jemandem, wie Du es für Deine Arbeit brauchst.
Unterschätze nicht, was Du aus den Vorgeschichten Deiner Kunden lernen kannst.
Vielleicht hast Du bereits die Erfahrung gemacht, dass Du auch Dinge erfährst, die Du gar nicht wissen wolltest.
Und Dich gefragt hast: Wie komme ich aus dieser Nummer wieder heraus?
Sei Dir dessen gewiss: Sich mit einigen Lebenssituationen Deiner Kunden überfordert zu fühlen, das gehört dazu.
Vielleicht hattest Du aber auch schon das Gefühl, Du hast eine Entscheidung getroffen, obwohl es dafür noch zu früh war.
Möglicherweise hättest Du Deinem Kunden gewisse Erfahrungen ersparen können, wenn Du Dir zu Beginn mehr Zeit genommen hättest.
Warum ermisst man die Fähigkeiten eines Arztes an seinen Kompetenzen bei der Erstellung der Diagnose?
Weil die medizinische Vorgeschichte der Ausgangspunkt für eine Behandlung ist, die die Genesung zum Ziel hat.
Auch wir sind als Diagnostiker gefordert.
Wir sind verpflichtet, uns ein umfassendes Bild von unserem Kunden zu machen.
Wir wollen einen Ausgangspunkt haben, von dem aus unsere Entscheidungen hin auf ein Ziel gerichtet sind.
Und wir stehen in der Verantwortung vor unserem Kunden, dieses Ziel so sorgfältig wie möglich zu erarbeiten.
Ich sehe uns auch in der Verantwortung gegenüber der Gesellschaft von Mitmenschen.
Die stellen uns die Mittel dafür bereit, auch kostenintensive Maßnahmen einzuleiten.
Wenn Sie denn ausreichend begründet sind und daher sinnvoll erscheinen.
Warum spielt es eine so entscheidende Rolle, so viel wie möglich über unsere Kunden zu erfahren?
Nicht wenige von ihnen begegnen uns in einer irritierten Verfassung. Sie …
- kommen zu uns ohne ein klares Ziel
- wissen nicht, was sie wollen
- haben sich mit ihrer Vorgeschichte nicht ausreichend beschäftigt
- können das Puzzle der Gründe für ihre Lebenssituation nicht zusammensetzen
- finden keine Lösungen für ihre Lebensprobleme
- trauen uns nicht zu, dass wir etwas für sie tun können
- trauen sich selbst nicht zu, dass sie etwas verändern können
- haben trotzdem noch Kraft und Hoffnung
Es ist unwahrscheinlich, dass sie nur auf die Begegnung mit Dir gewartet haben.
Und dass Du im ersten Gespräch mit ihnen eine Integrationsplanung entwickeln kannst.
Wahrscheinlich wirst Du nicht gleich die wesentlichsten der Rahmenbedingungen ihrer Lebenssituation erfahren.
Und doch wundere ich mich immer wieder darüber, wie schnell die Beratungssituation das Gespräch in die Tiefe ihrer Vorgeschichte befördern kann.
Ob es dabei auch gleich auf den Punkt kommt, ist eine andere Frage.
Denn am Anfang einer Zusammenarbeit geht es nicht um die Eile, mit der Du Entscheidungen zu treffen vermagst.
Es geht um die Qualität des Beziehungsaufbaus zu Deinem Kunden.
Du schüttelst den Druck im Nacken ab, möglichst schnell ins Handeln zu kommen.
Lässt Dich auch nicht treiben von den Gedanken daran, dass Du keine Zeit für Deine Kunden hast.
Niemand verlangt von Dir, dass Du möglichst schnell die unbesetzten Plätze bereits eingekaufter Maßnahmen besetzen musst.
Eine Integrationsplanung folgt auf der sorgfältigen Erarbeitung der Vorgeschichte.
Ich werde zunehmend vertrauter mit den Lebensbiografien meiner Kunden.
Und ich schätze nicht nur diesen bunten Reichtum, der sich mir in diesen Gesprächen offenbart.
Denn ich versetze mich auch mehr und mehr in die Lage, die Vielschichtigkeit einer Lebensbiografie zu erfassen.
Und … beobachte aufmerksam, was passiert, wenn Deine Kunden Gelegenheit haben, von sich zu erzählen. Sie
- werden aufgeschlossen
- gewinnen Vertrauen zu Dir
- berichten persönliche Erfahrungen aus ihrer Vorgeschichte
- bieten Erklärungen an für die Hintergründe bestimmter Entwicklungen
- verraten Dir, was sie eigentlich schon immer machen wollten
- erzählen, was sie motiviert
Du wirst mit der Zeit ein immer sichereres Gespür für den richtigen Zeitpunkt entwickeln.
Denn für die Wirksamkeit einer Entscheidung ist der richtige Zeitpunkt ganz wesentlich.
In dem Mike Figgis Film „Stormy Monday” gibt es zu Beginn der Geschichte einen bemerkenswerten Moment.
Brendan ist Mitarbeiter des Jazzclub-Besitzers Finney.
Finney weiß nicht, dass skrupellose Gangster ihn überrumpeln wollen. Brendan erfährt davon und will Finney warnen.
Er sucht ihn auf, während Finney ein Rendezvous hat.
Brendan fährt besorgt dazwischen und berichtet ihm vom bevorstehenden Unheil.
Finney bleibt cool und erwidert:
Geh‘ und sorge Dich nicht, es ist alles eine Frage des timing.
Du weißt, dass perfektes Zeitmanagement keine Garantie für gutes timing ist.
Manchmal musst Du lange zuhören und einen Kunden vielleicht einige weitere Male sehen und sprechen.
Vielleicht setzt Du eine Maßnahme nur ein, um Dir und ihm Erfahrungen zu ermöglichen, die Ihr gemeinsam reflektiert.
Die vielen Informationen in Deinem Kopf setzen sich nur langsam zusammen.
Es braucht seine Zeit, bevor Du eine Idee davon hast, was hier zu tun ist.
Wir haben aber auch einige Kunden, mit denen wir nicht viel und nur über einen kurzen Zeitraum zu tun haben.
Das sind unsere sogenannten Arbeitsmarkt nahen Kunden.
Sie kommen zu uns mit einer klaren Vorstellung von dem, was sie wollen.
Denn sie wissen, was sie können.
Einige haben bereits Berufserfahrung. Spitz‘ die Ohren, Du kannst so viel lernen.
Die lebensälteren Kunden haben auch eine Menge Lebenserfahrung.
Sie sind ausgebildet und haben gute Voraussetzungen, (wieder) in Arbeit zu kommen.
Die meisten von ihnen vermitteln sich selbst.
Und sie sorgen nebenbei dafür, dass wir gute Vermittlungsquoten haben.
Unsere arbeitsmarktnahen Kunden brauchen konkrete informative und fachlich versierte Beratung.
- Was ist im Bewerbungsverfahren zu beachten?
- Welche Kosten können erstattet werden?
- Gibt es Prämien bei Aufnahme der Berufstätigkeit?
- Wie sind die administrativen Abläufe bei einer Arbeitsaufnahme?
- Was ist zu beachten, damit man nicht vorübergehend ohne Geld dasteht?
Unser Zutun beschränkt sich auf die Steuerung des verwaltungsgemäßen Ablaufs der Aufnahme einer Beschäftigung.
Wir hören Ihnen genau zu und sind gut informiert über Möglichkeiten der Unterstützung.
Vielleicht kann unser Netzwerk, das wir im Laufe der Zeit errichtet haben, eine Perspektive eröffnen.
Aber in der Regel helfen sich diese Kunden selbst.
Sie brauchen vorübergehend Geld für den Lebensunterhalt und Beratung für Sachfragen.
Die allermeisten unserer Kunden dürften zu den Menschen gehören, die ich als anständig bezeichne.
Anständig im besten Sinne des Wortes. Sie wollen dem Staat nicht auf der Tasche liegen. Sie
- möchten sich selbst helfen können
- wollen niemandem zur Last fallen
- beanspruchen nur das Nötigste an finanzieller Unterstützung
- schämen sich dafür, auf Grundsicherung angewiesen zu sein
- möchten gern auch wieder etwas geben können
- wollen ihre Familie versorgen können
Und die Anständigsten unter ihnen haben oftmals die größten Schwierigkeiten sich aus ihrer unbefriedigenden Lebenssituation zu befreien.
Hier wird es schon schwieriger, unsere Aufgabe zu erfüllen.
Aber es ist eine wunderbare Aufgabe.
Denn daran können wir persönlich wachsen.
Es ist absolut wichtig zu begreifen, wer unsere Kunden sind.
Nachdem Du Dir eine Ahnung davon erarbeitet hast, wer da vor Dir sitzt, triffst Du zuletzt unweigerlich richtige Entscheidungen.
Daher ist es alternativlos, dass Du Dich für Ihre Vorgeschichte interessierst.
Und ohne dass Du viel dazu beitragen musst, baust Du zu Ihnen eine Beziehung auf.
Deine Wahrnehmungen und Reflektionen führen Dich nicht zu einer beliebigen Anschauung.
Vielmehr entwickelst Du Deine Dir eigene Haltung.
Auf diese Haltung baust Du den Umgang mit Deinen Kunden.
Wir lernen aus ihrer Vorgeschichte, wie sie unsere Kunden geworden sind.
Folglich entwickeln wir eine Vorstellung davon, wer sie sind und was sie ausmacht.
Daraufhin können wir für sie wirklich beratend tätig werden.
Auf dieser Grundlage dürfen wir an unsere Beratungsarbeit gehen.
Entsprechend sind die Steuergelder in unsere Beratungsarbeit gut angelegt.
Und obendrein erfüllen wir die Vorgaben von Sozialgesetzen und dienen der solidarischen Gemeinschaft.
Die Gemeinschaft stellt die Mittel bereit, die unseren Kunden ermöglichen, sich zu entwickeln.
Er darf diese Mittel in Anspruch nehmen.
Vielleicht wird ihn das in die Lage versetzen, das beste zur Gemeinschaft beizutragen, was ihm möglich ist.
Fazit
Ich finde heraus, wer meine Kunden sind. Sie erzählen mir, wie sie ihre Vorgeschichte hergeführt hat und was sie erlebt haben.
Dann arbeite ich mit ihnen heraus, welche Voraussetzungen sie mitbringen.
Infolge meiner Rücksichtnahme auf ihre Sicht der Dinge berichten sie mir freimütig darüber.
Dadurch baue ich eine Beziehung zu ihnen auf und bleibe im Folgenden in Kontakt mit Ihnen und ihrer Lebens- und Erfahrungswelt.
Wer sind Deine Kunden und wie sind Deine Erfahrungen mit Ihnen?
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