“Das größte Problem der Welt ist, dass Leute die Wahrnehmung der Realität durch einen Filter laufen lassen. Das, was sie wahrhaben wollen und das, was sie nicht wahrhaben wollen.”
Trevis Walton
Endlich sind wir eingemündet in das postkapitalistische Endspiel unserer Kinderwelt. Was haben wir alle zuletzt noch gelacht, als wir auf das beste Pferd im Stall gesetzt und es auf die Spielwiese unseres Verwaltungsgeländes geführt haben, bevor es das staunende Publikum zu entfesseln versuchte mit flüchtigen Kalauern, komödiantischen Gesten, konstruktivistisch geprägter Ignoranz ernst gemeinter Anregungen der Anwesenden und völliger Verweigerung gegenüber ihrer staunenden Zielgruppe.
Eigentlich wäre eine Personalversammlung an und für sich kein Thema dieses Blogs geworden, zumal der Autor nicht die Ehre hatte, selbst dort zugegen gewesen zu sein, aber eine bemerkenswerte Information hat ihn letztlich doch dazu bewogen, einige wenige Gedanken zu dieser Veranstaltungen zum Besten zu geben. Nehmen wir einmal an, das ‘Beste Pferd im Stall’ sei Markenname einer Gruppe junger Seelen, die sich der Unterhaltung von Führungskräften widmen. Nehmen wir weiter an, sie definierten ihre Tätigkeit wie folgt:
Wir bringen zusammen, was zusammen gehört:
Markenstrategie & Führungskräfte-Entwicklung.
Denn Marken und Führungskräfte haben die gleiche Aufgabe:
Menschen für sich zu gewinnen.
Hierfür braucht es die Fähigkeiten und maximale Akzeptanz der eigenen Herde.
Und nehmen wir noch weiter an, wir gehörten zur eigenen Herde, deren Akzeptanz sie mit 20jähriger Erfahrung zu gewinnen trachteten, würden einer Einladung auf die Spielwiese folgen und uns, der durch eine respektvolle Maßnahme als dringend an uns herangetragenen Erwartungshaltung unserer Geschäftsführung folgend, dem Spiel der luftigen Darbietung beigewohnt haben und uns dessen nach ein paar Tagen der Besinnung erinnern. Welche Gedanken würden uns bewegen?
Nun, sind wir überhaupt des Denkens mächtig und was qualifiziert uns zur Inanspruchnahme selbiger Fähigkeit? Gehören wir zur Herde, sollten wir dann nicht vielmehr zunächst unsere kommunikativen Kompetenzen kritisch reflektieren? Aber wer weiß … vielleicht werden unsere Lebensäußerungen im weitesten Sinne wie ein Wiehern wahrgenommen, um im Bilde zu bleiben.
Aber langsam, wer denkt hier eigentlich was und von wem? Die Comedians wollen uns sicher nur auf den Arm nehmen, wir sollen uns mal wieder so richtig unserer kleinen Unzulänglichkeiten bewusst werden, sie humoristisch einordnen, nicht immer alles so ernst nehmen und vor allem … auch wir sollen mal wieder richtig Spaß haben.
Die Gruppe junger Schauspieler kann nun wirklich nichts dafür, dass wir hier mit anderer Erwartungshaltung aufkreuzen, vielleicht sogar eine sachliche und durch Hintergrundinformationen bereicherte Informationsveranstaltung begehren und Zeit unseres Lebens nicht begriffen haben, worum es eigentlich und im Wesentlichen bei solchen Veranstaltungen geht: Nämlich den Höhepunkten der geistreich vorgetragenen Unterhaltungskünste Beifall, nein tosenden Applaus zu zollen.
Moment, wer denkt hier was von wem? Die eingangs erwähnte bemerkenswerte Information war keine geringere, als dass die jungen Comedians bereits bekannt waren, zwar nicht uns, aber unseren Herdenführern, denn diese hatten sich bereits im Vorfeld von der qualitativen Güte und dem inhaltlichen Anspruch der Darbietung überzeugen dürfen und offensichtlich auch lassen.
Man muss eine Menge Spaß zusammen gehabt haben, denn man nahm ja nicht nur eine mutmaßliche Menge Geld in die Hand, sondern war auch bereit, sich in intensiven Proben und unter dem Einsatz sonst verborgener Talente neben einer gehörigen Portion wohlwollender Kollegialität auf diesen großen Tag vorzubereiten und die Herde in den gleichen Genuss dieses dynamischen Mitmach-Programms kommen zu lassen, wovon die feierliche Übergabe einer Kapitänsmütze von der alten GF an den designierten neuen GF Zeugnis abgelegt haben soll.
Jedenfalls wird das so oder ähnlich kolportiert. Aber was weiß der Verfasser schon über den Gehalt dieser Informationen? Ist er womöglich böswilligen und irreführenden Falschnachrichten oder aus dem notwendigen Zusammenhang gerissenen Beobachtungen auf den Leim gegangen oder ist er gar selbst Opfer seiner selektiven Wahrnehmung und Voreingenommenheit geworden und kann das große und Ganze gar nicht überblicken geschweige denn deuten?
Eine in diesem Zusammenhang aufgekommene Frage dürfte hingegen viel über unsere geistige Verfassung aussagen und wen auch immer zu berechtigen scheinen, seine Vorstellungen unseres (beruflichen) Alltagslebens koordinieren, organisieren und in letzter Konsequenz auch durchsetzen zu müssen. Die Frage wurde im Zusammenhang mit vorsichtiger Kritik an der Beauftragung einer auf Marketinglösungen spezialisierten Unternehmensberatung gestellt und lautete ‘Was haben sie [die Geschäftsführung] sich bei der Beauftragung dieser Veranstaltung gedacht?”.
Nein, diese Frage war nicht ironisch oder besserwisserisch gemeint, sie bedeutete genau das, was wir in solchen Momenten geneigt sind zu überlegen, wenn wir schier zwangsläufig davon ausgehen, es müsse aus unserer Sicht vernünftige, umsichtige und wohl begründete Hintergründe für das wahrgenommene Verhalten derer geben, die anführende Stellen bekleiden (was ja nach einer altbackenen Betrachtungsweise klingt, aber nichts anderes bedeutet, als das man der Stelle als Inhaber im ethisch moralischen Sinne seine Würde erweist) und darum Sachlichkeit und Unbestechlichkeit beweisen.
Stattdessen sind die meisten von uns noch immer nicht ansatzweise im Bilde über allerlei Zusammenhänge unseres Alltagsverständnisses, in dem unsere Überzeugungen oder vielmehr unser Glauben auf Konzepten beruht, die wir uns angeeignet haben, weil sie uns im Großen und Ganzen stimmig erschienen, unsere tendenziell von selbstbezogenen Nützlichkeitserwägungen beherrschten Gedanken und Gefühle bedienen und mit denen wir uns, schlimmer noch, identifizieren, was unsere Unreife zum Ausdruck bringt und uns die Welt und die in ihr ablaufenden Geschehnisse aus den Augen eines Kindes betrachten lässt.
Mit etwas wohlwollender Verortung unserer geistigen Reife könnte man auch sagen, wir trauten unseren Augen nicht, weil die offenkundigen Widersprüche zwischen Denken, Reden und Handeln der Protagonisten und Entscheidungsträger sich mittlerweile unserer Wahrnehmung gar nicht mehr entziehen können. Statt aber wieder zu lernen, unseren Augen zu trauen, die Informationen als solche aufzunehmen, sie mit der Realität abzugleichen, also zu verarbeiten und anschließend unvoreingenommen zu bewerten, neigen wir noch immer dazu, es nicht für möglich zu halten, was sich uns in aller Klarheit und Offensichtlichkeit aufdrängt.
Weil diese allgemein gültigen Schritte des Erkenntnisprozesses uns nicht mehr bekannt sind, geschweige denn dass wir sie mit wachem Verstand anwenden und uns ein schlüssiges Bild von der Wirklichkeit machen, hadern wir im Laufe dieses Prozesses. Sei es, dass wir die offensichtlichen Phänomene gar nicht wahrnehmen, dass wir sie falsch, also unlogisch und nicht folgerichtig interpretieren oder dass wirnuns zu falschen Schlussfolgerungen und daraus resultierenden falschen Handlungen verleiten lassen.
Also in unserem Beispiel mit der Frage danach, was sich die GF bei der Beauftragung gedacht haben mag, bitten wir um eine Erklärung, die unsere Erwartungshaltung bedient, damit unser mittlerweile zerbrochenes Zusammenhangsdenken wieder zusammengesetzt werden möge. Wir lassen dann brav im Zweifel unsinnige Erklärungen über uns ergehen und tun anschließend, zwar widerwillig, aber was uns gesagt wird, denn die Anführer haben zwar keine guten Gründe, aber sie sind eben die Anführer.
Und hier schließt sich der Kreis, denn nun wissen wir endlich, warum man uns als Herde bezeichnet, worüber die aus dieser Rolle etwas herausgewachsenen Geisteskinder sich ärgern, denn sie wünschen, besser behandelt zu werden, freilich ohne zu bemerken, dass sie sich gerade als Frage- und Bittsteller aus der Sicht der Anführenden redlich disqualifizieren.
Alle anderen wollen wohl noch ein wenig länger den Schlaf der Gerechten schlafen, denn solange sie ihre geistigen Augen geschlossen halten, glauben sie in ihrer kindlichen Naivität eben auch nicht gesehen zu werden, bleiben ein Teil der Herde und werden ihrem Anführer folgen, während dieser sich bereits schamloser Unterhaltungsprogramme bedient, ohne darin auch nur den Hauch eines Widerspruchs zu erkennen.
Der Vollständigkeit halber sei noch die Strategie derer mit innerer Kündigungshaltung erwähnt. Sie glauben, dem nieder gehenden Matrix-System ihrer im Kopfe immer noch alten Weltordnung ein Schnippchen schlagen zu können, indem sie sich geschmeidig dem Wogen im Oberflächenwasser hingeben, während der fehlende Bodenkontakt, die Verwurzelung ohnehin nicht ihrer Aspektierung entspricht und sie sich auf dem festen Land munter wie ein Fisch im Wasser bewegen können.
Fazit
Führung, Anführerschaft und Verantwortung sind Wesenhaftigkeiten, die sich den zunehmend irrationalen und skrupellosen Bedingungen entziehen, die für gewöhnlich mit den damit verbundenen Aufgaben einhergehen. Unsere Sinne sind zwar stumpf geworden gegenüber der Wirklichkeit, aber die schiere Anzahl derer, die das Spielfeld immer aufmerksamer betrachten und ihre weitgehend noch stillschweigenden Konsequenzen aus ihren Beobachtungen ziehen, dürfte zunehmend dazu beitragen, dass die kommenden Entwicklungen nicht mehr mit so viel Spaß einhergehen dürften, wie sie das aktuell noch zu tun scheinen.
Schreibe einen Kommentar